HPV-Viren und Krebs
Mit dem Thema HPV-Infektion kommen die meisten Menschen irgendwann in Kontakt. Schließlich handelt es sich um eine der häufigsten sexuell übertragbaren Erkrankungen (STD) überhaupt. Grob geschätzt ist immerhin jede dritte Person mit mindestens einem HPV-Virustyp infiziert [1].
Was Humane Papillomaviren sind
Es gibt nämlich nicht das eine Humane Papillomavirus. Stattdessen sind Humane Papillomaviren (HPV) eine Familie von über 200 verschiedenen Virustypen. Über 40 davon befallen die Genitalien oder den Anus. Zu ihren Gemeinsamkeiten zählt neben dem sexuellen Übertragungsweg auch der ähnliche Virusaufbau und die Eigenschaft, Haut oder Schleimhautzellen bei Menschen zu befallen [2-4].
Vor der Pubertät ist eine HPV-Infektion dementsprechend untypisch und sollte Ärzt:innen immer hellhörig machen. Es ist jedoch auch eine Übertragung über ein gemeinsam genutztes Handtuch oder während der Geburt möglich [2, 5].
In der Mehrzahl der Fälle bleibt eine Infektion jedoch ohne Symptome. Das ist einerseits erfreulich für Betroffene und geht andererseits mit dem Problem einher, so unbemerkt weitere Menschen zu infizieren. Denn auch ohne Krankheitszeichen sind Betroffene für andere Menschen ansteckend. Zumal Kondome zwar das Risiko deutlich reduzieren, aber keineswegs einen hundertprozentigen Schutz bieten [2, 6].
Immerhin ist unser Immunsystem in der Lage, die meisten HPV-Infektionen wieder innerhalb von 12 Monaten zu eliminieren. Umso stärker das Immunsystem ist und umso weniger Risikofaktoren vorliegen, desto höher sind auch die Chancen dafür. Gelingt dies jedoch nicht, kann das Virus entweder in eine sogenannte „Latenzphase” – ein Art Winterschlaf – gehen oder es kommt zu Beschwerden: genauer gesagt Warzen, Krebsvorstufen oder Krebs [4].
Je nach HPV-Subtyp sind die verschiedenen Krankheitsfolgen unterschiedlich wahrscheinlich. So oder so sollten Hautläsionen im Genital- oder Analbereich immer abgeklärt werden. Doch wirklich niemand sollte sich deswegen schämen. Denn die Wahrscheinlichkeit, irgendwann in seinem Leben von Anal- oder Genitalwarzen betroffen zu sein, liegt bei 5 bis 10 % [1, 4].
Welche Krebsarten entstehen können
Wie erwähnt können Humane Papillomaviren (HPV) jedoch auch zur Krebsentstehung beitragen. Dabei ist entscheidend, ob es dem Virus gelingt, seine DNA in das Genom der infizierten Zelle zu schleusen und ablesen zu lassen. Wie für Krebszellen typisch können sich die Zellen daraufhin unkontrolliert vermehren [7, 8].
Eine HPV-bedingte Krebsentstehung ist folglich nur an Stellen möglich, wo die Viren Körperzellen infizieren können. Hierzu zählen Gebärmutter, Vagina und Vulva bei Frauen, der Penis bei Männern sowie Anus, Mund, Rachen und Kehlkopf bei beiden Geschlechtern [9-11].
Lange Zeit waren Früherkennung und Vorsorgemaßnahmen dabei die einzige Chance, rechtzeitig gegenzuwirken. So konnten Auffälligkeiten noch in einem Stadium bemerkt werden, wo es sich um eine gut behandelbare Krebsvorstufe oder zumindest um einen noch nicht invasiven Krebs handelte.
Im Falle der Gebärmutter gelang dies durch die ab dem 20. Lebensjahr empfohlenen Früherkennungsuntersuchungen mit dem sogenannten „PAP-Abstrich”. Gerade in ärmeren Ländern war diese Art des Screenings jedoch nicht immer möglich. Doch Ende der Nullerjahre zeichnete sich ein neuer Hoffnungsschimmer ab [12-14]:
Die HPV-Impfung
Mittlerweile gibt es bereits drei verschiedene Impfstoffe gegen eine HPV-Infektion. Diese zielen auf die wichtigsten HPV-Subtypen ab. Es ist nämlich bekannt, dass es unter den über 200 HPV-Subtypen ein paar „Hauptverantwortliche” gibt – die also einen Großteil aller Komplikationen „im Alleingang” verursachen [4]:
Was die Impfung bringt
Auch wenn die Impfstoffe also keineswegs alle HPV-Subtypen abdecken, geht damit für die Einzelperson trotzdem eine erhebliche Risikoreduktion einher. Zumal in Summe – also wenn sich viele Menschen impfen lassen – ein immenser kollektiver Effekt entstehen kann. Denn auf diese Weise wird es immer unwahrscheinlicher, sich bei anderen Menschen mit problematischen HPV-Subtypen zu infizieren [15].
Dies bewog die WHO dazu, eine Initiative auszurufen, die es sich zum Ziel macht, Gebärmutterhalskrebs weltweit zu eliminieren. Denn gerade bei dieser Art von Krebs liegt nahezu immer eine HPV-Infektion zugrunde [16].
Allerdings wirken die aktuell verfügbaren Impfstoffe ausschließlich prophylaktisch. Das heißt, sie verhindern, sich überhaupt erst mit dem entsprechenden HPV-Subtyp zu infizieren. Ist jemand bereits infiziert, sind die Impfstoffe wenig hilfreich. Dem Alter bei Impfung kommt also eine entscheidende Rolle zu [17].
Wem die Impfung wann empfohlen wird
Daher sollte die Impfung im Idealfall noch vor dem ersten Geschlechtsverkehr durchgeführt werden. Die Ständige Impfkommission (STIKO) des RKI empfiehlt daher, die HPV-Impfung im Alter von 9 bis 14 Jahren durchzuführen [6].
Dabei handelt es sich zunächst um zwei Impfungen mit einem Abstand von mindestens 5 Monaten. Ist der Abstand geringer oder wird die Impfserie erst mit über 14 Jahren begonnen, ist noch eine dritte Impfdosis notwendig [18].
Während die HPV-Impfung bei Einführung zunächst nur für Mädchen vorgesehen wurde, besteht die Impfempfehlung seit 2018 auch für Jungen. Da Gebärmutterhalskrebs bei Frauen immerhin die vierthäufigste Krebserkrankung ist, hatte man sich zunächst auf Impfung für Mädchen fokussiert [6, 16].
Jedoch profitieren auch Jungen in ihrem gesamten späteren Leben von der Impfung (siehe Tabelle oben) und schützen zudem mit ihrer Immunität indirekt die Frauen [15].
Wie immens dieser schützende Effekt durch die HPV-Impfung wirklich ist, konnte mittlerweile immer besser belegt werden:
Neue Studien zur HPV-Impfung belegen Durchbruch
In einer hochrangig publizierten Studie wurde nämlich jüngst untersucht, inwieweit die bei Mädchen in England 2008 begonnenen HPV-Impfungen sich im Verlauf auf die Entstehung von Krebsvorstufen und Krebs der Gebärmutter ausgewirkt haben [14, 19].
Wie sich herausstellte, war der Effekt am größten, je früher die Impfung bei den Mädchen erfolgte. So führte eine HPV-Impfung im Alter von 12 bis 13 zu einer Risikoreduktion für Gebärmutterhalskrebs um 87 % und für seine Vorstufen um sogar 97 % im Vergleich zu einer nicht geimpften Kontrollgruppe [14, 19].
Waren die Mädchen bei der Impfung dagegen schon 16 bis 18 Jahre alt, so bestand zwar immer noch eine Risikoreduktion. Diese fiel jedoch etwas geringer aus (34 % gegenüber dem Gebärmutterhalskrebs; 39 % bezüglich der Vorstufen) [14, 19].
Nicht umsonst bezeichneten die Wissenschaftler:innen die Ergebnisse als spektakulär. Denn die Berechnungen ergaben, dass zwischen 2008 und 2019 mithilfe der HPV-Impfungen allein in England 448 Fälle von Gebärmutterhalskrebs und 17.235 Fälle von Krebsvorstufen verhindert werden konnten [14, 19].
Zukunft von HPV als Geschlechtskrankheit
Dieser Effekt dürfte sich künftig noch einmal wesentlich verstärken. Grund ist, dass damals ein HPV-Impfstoff verwendet wurde, der lediglich die HPV-Subtypen 16 und 18 abgedeckt hat. Mittlerweile ist jedoch auch ein Impfstoff verfügbar der gegen insgesamt neun Subtypen wirksam ist [17, 19].
Hinzu kommt der verstärkte Effekt durch die zusätzlichen Impfungen bei Jungen und die ausgebauten Bemühungen, die HPV-Impfungen auch international zu etablieren. So rückt die Welt der Herdenimmunität ein ganzes Stück näher [15, 16].
Und auch für alle, die für die bisher verfügbaren (prophylaktischen) HPV-Impfstoffe bereits zu alt sind, gibt es Hoffnung. Eine Impfung, die auch therapeutisch – also bei schon bestehenden Läsionen – eingesetzt werden kann, ist bereits in der Entwicklung [17, 20].
Die Inhalte dieses Artikels geben den aktuellen wissenschaftlichen Stand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung wieder und wurden nach bestem Wissen und Gewissen verfasst. Dennoch kann der Artikel keine medizinische Beratung und Diagnose ersetzen. Bei Fragen wenden Sie sich an Ihren Allgemeinarzt.
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