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Diabetes digital verbessern

Wie digitale Lösungen die Lebensqualität bei chronischen Erkrankungen steigern

Lebensqualität als Behandlungsziel

Dass Krankheit und Lebensqualität eng zusammenhängen, wird erstmal nicht überraschen. Jeder Mensch, der schon mal schwer oder länger erkrankt ist, kann davon vermutlich „ein Lied singen”. Was vielen Betroffenen und sogar Ärzten jedoch häufig entgeht, ist, wie stark dieser Zusammenhang ist [1]. 

Das ist zum einen wichtig, um die psychischen Krankheitsfolgen bei Betroffenen früh zu erkennen und gegenzusteuern. Und zum anderen bietet es eine komplett neue Perspektive auf die bisherigen Behandlungsziele. Ist ein Eingriff wirklich besser, wenn er jede sicht- und messbare Veränderung korrigiert hat – oder aber, wenn er Betroffenen mehr lebenswerte Tage ermöglicht? [1]

Nicht umsonst findet dieses Gebiet auch in der Wissenschaft zunehmend Beachtung. Experten sprechen hierbei von der sogenannten „gesundheitsbezogenen Lebensqualität” oder kurz HRQL. Grob gesagt beschreibt sie „das Ausmaß, in dem das übliche oder erwartete körperliche, emotionale und soziale Wohlbefinden einer Person durch eine Krankheit oder deren Behandlung beeinträchtigt wird" [1]. 

In dieser Definition kommen also zwei entscheidende Aspekte zum Ausdruck: Erstens ist Lebensqualität immer subjektiv. Das heißt, zwei Menschen mit derselben Krankheitsschwere können unterschiedlich darunter leiden. Und Zweitens spielen dabei verschiedene Dimensionen eine Rolle. Diese beziehen sich meist auf die körperliche und seelische Gesundheit sowie die Fähigkeit am Sozialleben teilnehmen zu können [1, 2].  

Um die Lebensqualität von Menschen wirklich wissenschaftlich erfassen und miteinander vergleichen zu können, müssen Forscher auf hierfür extra entwickelte und valide getestete Fragenkataloge zurückgreifen. So entstanden die sogenannten PROMs [1, 2].

PROMs erklärt

„Patient-reported Outcomes” (PROs) sind die von Betroffenen gemachten Angaben zu Gesundheitszustand und Lebensqualität bezogen auf eine medizinische Behandlung. Damit diese Angaben systematisch erfasst werden können, kommen PROMs zum Einsatz. Also „Patient-reported Outcome Measures”. Das sind die Instrumente, die zur Erfassung von PROs verwendet werden [3].

Patienten rücken damit in den Mittelpunkt. Denn bei den PROs geht es einzig um ihre Perspektive. All ihre Angaben werden nicht in Frage gestellt und müssen nicht erst noch von Ärzten interpretiert werden. So kann eine Behandlung zwar nach klassischen Kriterien wie Laborwerten, Kliniktagen oder Sterblichkeit erfolgreich sein, aber dennoch nicht das tatsächliche Wohlbefinden des Betroffenen abbilden [3].

Die Erfassung der PROs durch die PROMs erfolgt meist in Form von Fragebögen. Diese sind entweder allgemein gehalten oder spezifisch für ein bestimmtes Krankheitsbild. Meist beinhalten sie Fragen zu Funktionsstatus, Symptomen und damit einhergehender Belastung, Zufriedenheit mit der Versorgung sowie psychischen Krankheitsfolgen wie Angst und Depression [3].

Beispiel für Dimensionen von Lebensqualität

Körperliche Gesundheit

  • Körperliche Funktion

  • Schmerzintensität

  • Müdigkeit und Schlafstörungen

Psychische Gesundheit

  • Depressionen

  • Ängste

Soziale Gesundheit

  • Fähigkeit zur Teilnahme an sozialen Aktivitäten

  • Soziale Isolation

Quelle

Ursprünglich wurden PROMs vor allem für die Forschung an Arzneimitteln und der Gesundheitsversorgung entwickelt. Doch dank des großen Potenzials, mithilfe von PROMs das gesamte Gesundheitssystem zu transformieren, erweitert sich ihr Anwendungsgebiet stetig [3]. 

Ein Blick auf eine der häufigsten chronischen Volkserkrankungen zeigt dabei die Vielzahl an Möglichkeiten und Hürden gleichermaßen.

Hürden bei der Diabetes-Behandlung

Laut Schätzungen betrifft Typ-2-Diabetes über 400 Millionen Menschen auf der ganzen Welt. Und die Zahlen steigen: Einerseits wird Übergewicht als Auslöser schon bei Kindern und Jugendlichen immer häufiger und andererseits werden Menschen tendenziell älter. Somit wächst auch die Wahrscheinlichkeit, im Laufe des eigenen Lebens mit Diabetes zu tun zu haben [4-6].

Abbildung zur weltweiten Diabetes-Häufigkeit
Weltweite Häufigkeit von Diabetes Quelle

Für Betroffene geht das mit vielen Herausforderungen einher. Und auch Ärzte müssen einiges im Blick behalten. Oftmals bestehen neben dem Diabetes noch eine Reihe weiterer Erkrankungen wie Bluthochdruck, Herzschwäche oder Nierenschäden. Das macht die Therapie komplex. Zudem müssen die oft zahlreichen Medikamente engmaschig auf die Lebensgewohnheiten eingestellt werden. Ändern sich diese, muss auch die Therapie flexibel sein [7, 8]. 

Gleichzeitig erfordert die Behandlung große Disziplin und Durchhaltevermögen. Den Blutzucker Tag für Tag gut im Griff zu haben, beugt sowohl plötzlichen Entgleisungen als auch einer Vielzahl an möglichen Langzeitfolgen vor. Gleichzeitig ist das Behandlungsteam teils groß und kann im Verlauf aus verschiedenen Ärzten, Ernährungsberatern, Ergotherapeuten, Fußpflegekräften und anderen bestehen. Das macht die Absprache aufwendig. Zumal die Behandlung sehr zahlengetrieben ist. Medikamente werden in ihrer Dosierung an Blutzucker- und Nierenwerte angepasst [7, 8]. 

Bei all dem wird eines schnell übersehen: Wie geht es den Betroffenen mit all dem überhaupt? Zwar wird in den Diabetes-Leitlinien explizit empfohlen, bei Betroffenen auf depressive Stimmungen zu achten. Trotzdem wird das Auftreten von Depressionen bei Diabetikern häufig unterschätzt und dadurch übersehen. So fand sich in Studien bei knapp jedem fünften Diabetiker eine Depression –  fast doppelt so häufig wie in der Kontrollgruppe [7-11]. 

Doch selbst bei Diabetespatienten mit mittleren bis schweren Angstzuständen oder Depressionen wurde dies nur in 20-25 % der Fälle als Problem erkannt und in der Krankenakte vermerkt. Das ist gleich in zweifacher Hinsicht ungünstig: Zum einen vermindern depressive Verstimmungen natürlich die Lebensqualität von Betroffenen. Und zum anderen ist mittlerweile bekannt, dass sich Depressionen auch negativ auf die Einstellung des Blutzuckers auswirken können [10, 12-14].

Neue Wege zu finden, das Wohlbefinden von Diabetikern besser wahrzunehmen und in der Behandlung zu berücksichtigen, ist somit essenziell. Hier können digitale Ansätze helfen.

Wie digitale Lösungen helfen können

Im Wesentlichen können digitale Lösungen auf zwei Wegen helfen: Erstens können sie überall dort zum Einsatz kommen, wo sie Alltag und Versorgung von Diabetespatienten erleichtern. Und zweitens könnten sie künftig die Erfassung von PROMs unterstützen. Gut gemacht dürften beide Ansatzpunkte zu einer besseren Lebensqualität beitragen.

Befragt man Diabetiker in Studien, was sie sich in der Behandlung ihrer Erkrankung wünschen, zeigt sich folgendes Bild: Demnach möchten sie eine enge Zusammenarbeit zwischen Patient und Behandler, eine Betreuung durch ein Behandlungsteam sowie leichten Zugang zu Versorgungsangeboten [15]. 

Bei all diesen Stellschrauben können digitale Lösungen die Abläufe verbessern. So können Apps dabei helfen, den Betroffenen alle Unterlagen und ärztliche Dokumentationen transparent zu machen. Damit behalten sie stets die Übersicht und können Entscheidungen gemeinsam und nun besser informiert mit ihren Behandlern treffen. 

Das erleichtert auch die Vernetzung eines Behandlerteams – sowohl zwischen Patient und Team als auch innerhalb des Teams. Auch gibt es bereits zahlreiche digitale Angebote, mithilfe derer Patienten die Verfügbarkeit von freien Terminen einsehen und diese dann unkompliziert buchen können. 

Und nicht zuletzt dürfte jedes weitere digitale Angebot, das dem Patienten den Umgang mit seiner Erkrankung erleichtert und Abläufe für Behandler vereinfacht, willkommen sein. Ein Beispiel zeigte eine Studie, in der Diabetespatienten per App in einem gesünderen Lebensstil und beim Gewichts- und Blutzuckermonitoring unterstützt wurden. Dies führte zu positiven Tendenzen in der Lebensqualität [16].

Der zweite große Ansatzpunkt ist die Erfassung der PROMs. Denn gerade wenn es zur Erfassung der Lebensqualität kommt, können digitale Lösungen wie Apps eine große Hilfe sein. Der entscheidende Vorteil ist dabei sicherlich, dass die Menschen hier gewissermaßen „an die Hand” genommen werden. So wird das Antworten unkompliziert und zeitlich effizient. Auch Studien erkennen hier den Aufholbedarf [17]:

In einer Studie, in der die Befragung auf Papierbögen durchgeführt wurde, bemängelten sowohl Patienten als auch Klinikpersonal, die Fragen bedürften mehr Erklärungen. Dies ließe sich mit einer digitalen Erfassung problemlos umsetzen, indem einerseits ausführlichere Erklärungen aufrufbar wären und andererseits unkompliziert Feedback zu einzelnen Fragen hinterlassen werden kann [17].

Ein Blick in die Zukunft

Vieles spricht also dafür, dass die Erfassung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität mithilfe von PROMs in Zukunft eine zentrale Rolle in der Diabetesbehandlung einnehmen wird. Zumal dies bereits in anderen Bereichen wie der Onkologie zunehmend Praxis ist – sowohl in Forschung als auch Patientenbetreuung. Nur so kann wirklich beurteilt werden, ob eine (neue) Behandlung auch zu einem besseren Leben beiträgt [18-20]. 

Der nächste Schritt ist, auch außerhalb von medizinischen Einrichtungen näher an den Betroffenen dran zu sein. Gerade bei einer Erkrankung wie Typ-2-Diabetes hängt der langfristige Krankheitsverlauf maßgeblich vom Alltagsverhalten ab. 

In diesem Zusammenhang wird die Erfassung von sogenannter „Real-World-Data”, wodurch Daten in Echtzeit aus dem Alltag gewonnen werden können, künftig immer wichtiger [21].

Die Inhalte dieses Artikels geben den aktuellen wissenschaftlichen Stand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung wieder und wurden nach bestem Wissen und Gewissen verfasst. Dennoch kann der Artikel keine medizinische Beratung und Diagnose ersetzen. Bei Fragen wenden Sie sich an Ihren Allgemeinarzt.

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